Die LKW-Hersteller arbeiten unermüdlich daran, mit Elektro- oder Wasserstoff-Brennstoffzellen betriebene LKW und Sattelzugmaschinen mit immer größeren Reichweiten anzubieten. Die Reichweite (und die nach wie vor hohen Preise) sind nach wie vor das größte Hindernis für die breite Einführung von EV- und FCEV-Fahrzeugen in der Transport- und Logistikbranche. Auch die unzureichende Ladeinfrastruktur entlang von Autobahnen und Schnellstraßen ist nach wie vor ein Problem. Daher werden alternative Projekte erforscht, die unter dem Namen Electric Road Systems (ERS) bekannt sind. Worum handelt es sich dabei?
Die Reichweiten von Elektro-Sattelanhängern werden immer größer. Der Mercedes-Benz eActros 600 zum Beispiel hat dank seiner 600+ kWh-Batterie eine Reichweite von rund 500 km mit einer einzigen Ladung. Auch die Elektroversionen der Volvo-Lkw (Modelle FH und FM) können je nach Batteriekonfiguration bis zu 300 km mit einer einzigen Ladung zurücklegen. Diese Zahlen sind für den täglichen Betrieb von Bedeutung, aber die Verfügbarkeit von Ladestationen ist ein weiterer entscheidender Faktor.
Vor einigen Jahren, als Elektro- und Wasserstoff-LKWs gerade auf den Markt kamen und die Richtung der Automobilentwicklung eindeutig auf Null-Emissionen ausgerichtet war, kamen alternative Lösungen für den Straßengüterverkehr auf. Diese zielten darauf ab, fahrende LKW kontinuierlich mit Strom zu versorgen und die Einschränkungen durch die geringe Batteriekapazität und die Notwendigkeit von Stopps zum Aufladen zu beseitigen.
ERS: Freileitungssysteme
Das bekannteste alternative elektrische Straßensystem (ERS) besteht aus einer Oberleitungskonfiguration. Bei diesem System werden entlang der Straße Masten aufgestellt, zwischen denen ein Oberleitungsdraht gespannt ist. Speziell angepasste Elektro- oder Hybrid-LKWs können mithilfe eines Stromabnehmers Strom aus dieser Leitung beziehen. Diese Lösung erinnert an die Technologie, die seit Jahrzehnten erfolgreich in städtischen Oberleitungsbussen eingesetzt wird.
Eines der bemerkenswertesten Projekte, bei denen diese Lösung zum Einsatz kommt, ist eHighway, das von der deutschen Firma Siemens umgesetzt wird. Im Jahr 2017 begann das Unternehmen mit Tests auf einem zehn Kilometer langen Abschnitt der Autobahn A5 zwischen dem Frankfurter Flughafen und Darmstadt. Ein weiterer Test begann auf einem fünf Kilometer langen Abschnitt der Autobahn A1 zwischen Reinfeld und Lübeck und ein dritter auf der Bundesstraße B 462 zwischen Kuppenheim und Gaggenau. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass die Nationale Plattform für die Zukunft der Mobilität (NPM), eine Organisation des deutschen Verkehrsministeriums, vorschlug, bis 2030 ein 4000 Kilometer langes Netz von eHighway-Systemen entlang wichtiger Straßen zu errichten.
Der Vorteil des ERS mit Oberleitungen ist, dass es auf einer Technologie aufbaut, die seit 1882 (als Werner Siemens den Prototyp des ersten Oberleitungsbusses vorstellte) verwendet und ständig modernisiert wird. Es würde auch keine wesentlichen Änderungen an der bestehenden Straßeninfrastruktur erfordern, da die Oberleitung keine neuen Straßenbeläge erfordert und herkömmliche Fahrzeuge weiterhin die Straßen neben dem Oberleitungssystem nutzen können. Eine Einschränkung bleibt jedoch die Notwendigkeit, das Oberleitungsnetz zu bauen (was von den Autobahnbetreibern immer noch als zu kostspielig angesehen wird) und LKW und Sattelschlepper so anzupassen, dass sie Strom aus dem Netz beziehen können (Installation von Stromabnehmern).
ERS: Bodennahe Stromversorgungssysteme
Während das eHighway-System auf der Technologie für Oberleitungsbusse basiert, orientiert sich das Nächste in diesem Artikel vorgestellte ERS an Lösungen, die in U-Bahnen eingesetzt werden. Bei diesem System ist eine Schiene in den Straßenbelag eingelassen, die über einen speziellen Verbindungsarm elektrische Energie an das Fahrzeug überträgt. Verschiedene Unternehmen haben dieses System seit 1996 entwickelt. In der französischen Stadt Bordeaux verkehrt seit 2022 eine von Alstom entwickelte Straßenbahn, die von einer in die Straße eingelassenen dritten Schiene angetrieben wird (sicher für andere Verkehrsteilnehmer). Diese Konfiguration wird auch für die Stromversorgung von Elektroautos in Frankreich in Betracht gezogen: Eine Teststrecke soll 2024 in Betrieb genommen werden, wobei die Versuche nach drei Jahren abgeschlossen sein sollen. Das bodennahe Stromversorgungssystem wird auch in Schweden eingesetzt, wo es auf einer Straße in der Nähe des Flughafens Arlanda in Stockholm eingeführt wurde. Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie sowohl von LKW als auch von kleineren Nutzfahrzeugen genutzt werden kann und das Landschaftsbild weniger beeinträchtigt (keine Masten und Leitungen). Allerdings stellen die höheren Baukosten und die Probleme bei der Straßeninstandhaltung, insbesondere bei schlechten Wetterbedingungen, eine große Herausforderung dar.
ERS: Induktive Ladesysteme
Das induktive System, bei dem Spulen in den Straßenbelag eingelassen werden und die Fahrzeuge mit Empfangsspulen ausgestattet sind, ist das letzte in Betracht gezogene ERS. In Südkorea wurden zwischen 2009 und 2016 mehrere Stadtbuslinien mit diesem System betrieben, aber die Kommerzialisierung dieser Technologie blieb erfolglos. Dieses System hat seine Vorteile: Es verändert die Landschaft nicht und ist langlebiger, da die Stromübertragung ohne physische Verbindung erfolgt. Allerdings sind die Implementierungskosten sehr hoch, da der gesamte Straßenbelag durch einen mit Spulen versehenen Belag ersetzt werden muss, im Gegensatz zum bodennahen Stromversorgungssystem, bei dem nur die Schiene eingebettet werden muss.
Trotz vielversprechender Ergebnisse der einzelnen ERS und laufender Pläne und Arbeiten in Deutschland, Frankreich und Schweden ist es schwer vorherzusagen, ob diese Projekte im geplanten Umfang realisiert werden können. Die Reichweite von Elektro-LKW wird immer größer, und die Ladeinfrastruktur in den europäischen Ländern wird nicht nur in Großstädten, sondern auch entlang von Überlandstraßen und Autobahnen ausgebaut. Vielleicht wird der Begriff „E-Road“eher Straßen mit Ladestationen beschreiben, die so dicht verteilt sind wie Tankstellen, als ein spezifisches ERS-System. Wie immer wird die Zeit es zeigen.